Hartz-IV-Café feiert einjähriges Bestehen mit bitteren Erkenntnissen

Höchster Kreisblatt vom 15.07.2006

Hattersheim. "An der Tür steht keine Kasse, und die Künstlerin bekommt keine Gage." Das sei das Besondere des "Hartz-IV-Konzertes", betonte Carlo Graf, Organisator des Hartz-IV-Cafés im Haus St. Martin am Autoberg. Das Konzert im Südringtreff wurde von der russischen Musiklehrerin Tatjana Dinner gestaltet, die vor acht Monaten als Spätaussiedlerin nach Deutschland kam. Tatjana Dinner, die bisher noch keine Arbeit gefunden hat, lebt zurzeit selbst von Sozialhilfe.

Anlass für das Konzert, zu dem als Redner Dr. Franz Segbers, Professor an der Marburger Philipps-Universität, Geschäftsführer des Bündnisses "Soziale Gerechtigkeit" in Hessen und Referent für Sozialpolitik und Ethik beim Diakonischen Werk in Hessen und Nassau, eingeladen war, war das einjährige Bestehen des "Hartz-IV-Cafés". Das hatte sich gegründet, nachdem sich Arbeitslose 100 Tage nach dem Inkrafttreten des Hartz-IV-Gesetzes im Haus St. Martin getroffen hatten, um sich über ihre Erfahrungen mit dem neuen Gesetz auszutauschen. Daraus entwickelte sich eine Erwerbsloseninitiative, die sich inzwischen alle 14 Tage trifft und Hilfe zur Selbsthilfe leistet: beispielsweise Unterstützung bei Umzügen, beim Gang zu Ämtern, bei der Antragstellung und bei der Suche nach einer Wohnung. Die hauptsächliche politische Forderung der Initiative gilt der Einführung eines Sozialpasses für Menschen mit geringem Einkommen, letztlich kämpft sie aber gegen das Hartz-IV-Gesetz an sich. "Das Gesetz ist von der Anlage her falsch und gehört daher nicht verbessert, sondern abgeschafft", machte dann auch Franz Segbers klar. Das Scheitern der so genannten Arbeitsmarktreform sei offensichtlich. "Bis heute bleibt die versprochene Halbierung der Arbeitslosenzahl aus. Im Gegenteil: Die Zahl der Menschen ohne Arbeit ist sogar noch gestiegen", erklärte Segbers. "Die Personalservice-Agenturen haben die Erwartungen nicht erfüllt und werden aufgelöst, die Ich-AGs haben sich ebenfalls als Flop erwiesen, und die Förderung läuft aus. Die angeblich erfolgreichen Ein-Euro-Jobs sind sogar vom Bundesrechnungshof kritisiert worden, weil sie reguläre Arbeit verdrängen. Und auch der Umbau der Arbeitsämter in Agenturen für Arbeit und die Umbenennung der Arbeitslosen in Kunden schafft keine Arbeit. " Das sei zu erwarten gewesen, denn "wenn der Arbeitsmarkt leer ist, dann gibt es nichts zu vermitteln". Auch der von den Politikern behauptete Missbrauch der Sozialleistungen sei nicht das Problem. "Es gibt keinen Missbrauch im großen Stil. Anstatt konsequent bei der Verfolgung von Steuerhinterziehung zu sein, werden lieber Sozialleistungen verweigert ."

Insgesamt 7,8 Milliarden Euro seien im vergangenen Jahr auf Kosten der Ärmsten eingespart worden, rechnete Segbers vor. "2,3 Milliarden wurden für ALG I und Insolvenzgeld weniger ausgegeben als im Vorjahr, bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik wurden die Ausgaben um 5,5 Milliarden Euro verringert. Während oben Steuern gesenkt werden, wird das Geld bei den Schwachen im Lande eingesammelt." Weil die Arbeitslosigkeit nicht wirksam bekämpft werden könne, würden Arbeitslose aus den Sozialleistungen "herausgedrängt", damit sie dem Staat keine Kosten mehr verursachen. "Sie sollen bereit sein, jede Arbeit zu jedem Lohn anzunehmen. Das Programm heißt: Aus arbeitslosen Armen sollen arbeitende Arme werden." Doch als Nahziel vor der Abschaffung des Hartz-IV-Gesetzes soll es einen Sozialpass geben, fordert das Hartz-IV-Café. "Denn wir möchten in die gleichen Konzerte gehen, wie alle anderen auch. Doch das ist beim ALG-II-Budget nicht möglich", so Carlo Graf. (jöh)




Hartz IV-Café Termine jeweils 14-tägig
Mittwochs von 17.00 bis 19.00 Uhr

05.08.2009
19.08.2009
02.09.2009
16.09.2009
30.09.2009
14.10.2009
28.10.2009
11.11.2009
25.11.2009
09.12.2009
23.12.2009    Weihnachtsfeier



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